Phew. Das hier wird nicht einfach. Gerade bei Debütromanen tue ich mir sehr schwer, weil ich genau weiß welche Hoffnungen und Erwartungen die Autorin an ihr erstes Werk stellt, aber ich weiß auch, dass man ohne Kritik nicht wachsen kann, auch wenn das hier hart wird.
Warnung: Leichte Spoiler!
Übersicht
Titel: Essenz der Magie: Die Leerenbegabte
Reihe: Ja. Band 1 von 2.
Autorin: Lia Kathrina
Verlag: Carlsen Impress
Preis: 3,99€
Format: eBook
Hier findet ihr das Buch auf: Carlsen | Amazon | Thalia
**Willkommen in der Akademie für Magiebegabte**
Aufgewachsen in einer Patchworkfamilie voller Magiebegabter fiebert die 18-jährige Ria schon seit Jahren ihrem Eintritt in die Akademie entgegen. Als Mischlingstochter zweier unterschiedlicher Elementträger fällt es ihr besonders schwer, ihre Fähigkeiten zu beherrschen – vor allem, da ihre Begabung beim ungewöhnlichen fünften Element der Leere liegt, die eine ganz besondere Art der Ausbildung braucht. Das erste magische Schuljahr startet demnach auch voller Herausforderungen, die bald nicht nur akademischer Natur sind und neben ungeplanten Gefühlen auch unerwartete Wahrheiten ans Licht bringen…
Vom Anfang an…
Fangen wir mal ganz von Vorne an. Die erste Szene des Buches, die mit einem interessanten Touch beginnt und einem Gähnen endet. Ein mysteriöser Mann namens Robert (Grand, nicht Geiß, wenn auch leicht zu verwechseln) ist zu Besuch im Haus unserer Protagonistin Ria. Es wird angedeutet, dass er gefährlich ist und wohl auch unter politischer Beobachtung steht, doch wieso er genau im Haus ist, bzw. worüber sich Rias Vater mit ihm unterhält und wieso er scheinbar an ihr interessiert ist, lernen wir nicht. Stattdessen bekommen wir im ersten Kapitel gleich von Seite eins an jegliche relevanten und unrelevanten Infos vor die Füße geknallt: Wir erfahren die komplette Hintergrundgeschichte der Patchworkfamilie unserer Protagonistin, wir wissen nun, dass es fünf Oberhaupte in der Welt der Begabten gibt, dass es reinrassige Begabte und Mischlinge gibt (deren beide Eltern verschiedenen Elementen angehören) und bekommen nebenbei auch noch die komplette Familie vorgestellt und eine kleine leider unnötige Tour durch das riesige, luxuriöse Anwesen von Familie Jordan. Ihr merkt es, es war alles ein bisschen viel und meine Hoffnungen in das Buch waren dort bereits auf Sparflamme.
Aber damit leider nicht genug mit dem Information-Dumping.
*lufthol*
Uns erwartet eine weitere Flut an Informationen, sobald es dann ins Internat geht, nämlich den ganzen Inhalt von Rias vier Koffern, während interessantere Informationen wie zum Beispiel die Ausrottung von Tieren wie Papageien und Eisbären als Beiläufigkeit erwähnt wird. Ein Motiv, das sich leider durch den gesamten Roman zieht.
Charaktere
Dann geht es also endlich auf der Schule und dort lernen wir die Charaktere kennen. Viel gibt es allerdings nicht zu sehen, denn die sind alle recht flach. Hier eine kurze Übersicht der wichtigsten Jungs und Mädels:
- Chris, der leibliche Bruder von Ria, der supernett ist und sehr attraktiv
- Nate, der gemeine Stiefbruder, der mit der Patchworkfamilie unzufrieden ist, und ebenfalls sehr attraktiv
- Sam, sein bester Freund, ein typischer Playboy und sehr attraktiv
- Rean, Rias bester Freund, ihr Schwarm (oder laut ihr die „Liebe ihres Lebens“) ein Nerd aber auch – Überraschung! – sehr attraktiv
- Jara, Rias beste Freundin und ein aufbrausendes Plappermaul
Dazu haben wir noch ein paar Lehrer, Rias zwielichtigen Dad, den Rest der Familie, ein paar irrelevante Mitschüler, die obligatorische Schulbitch, die keine nennenswerten Eigenschaften hat außer „hübsch“ und „bitchig“ und – nicht zu vergessen – Robääääärt, der jedoch nach Kapitel 1 recht schnell in Vergessenheit gerät.
Die Protagonistin
Allen voran steht natürlich Ria, unsere Protagonistin, die an sich ganz cool sein könnte, weil sie mit ihren Kräften zu kämpfen hat und ihrem strengen Vater gerecht werden will, was ihr durchaus Tiefe verleiht. Allerdings verliert sie jegliches bisschen an Toughness, sobald YA BOI Rean irgendwo auftaucht und sie bei jedem seiner Atemzüge feststellen muss, wie perfekt er ist und was für ein Traummann. Sie ist übrigens 18, keine 14. Sollte hier mal erwähnt werden. Das und die zwanghaft auf witzig getrimmten Kabbeleien mit YA OTHER BOI Sam haben mehrmals dafür gesorgt, dass ich nur müde den Kopf schütteln konnte. Zudem sie ihre Meinung bezüglich der Boys relativ schnell und teilweise auch unbegründet zu ändern scheint.
Fokus
Schon am Anfang hatte ich angedeutet, dass ich den Fokus des Buches etwas seltsam finde. Es werden viele Andeutungen gemacht bezüglich eines übergeordneten Konflikts, der wirklich interessant sein könnte, jedoch immer wieder in Vergessenheit gerät, weil sämtliche Banalitäten viel wichtiger sind.
Wie bereits gesagt gibt es die Puren, also Begabte mit Eltern der selben Begabung, Mischlinge und Unbegabte (Menschen wie du und ich), was die Basis für den Konflikt der Story liefert. Eine böse Sekte namens „Die Gesegneten“ will die normalen Menschen unterwerfen, weil sie sich als Begabte für etwas Besseres halten (wo haben wir das schonmal gelesen?) und greifen sogar einmal die Schule an. Sie tragen übrigens Kutten und Halbmasken. (Na, immer noch keine Ahnung wo wir das schonmal gelesen haben? Spoiler: Ihr Anführer ist Vold- eh ***.)
Diese Basis – und dazu die echt coole Idee mit dem Element der “Leere” – hätte der Zündstoff für eine spannende Story sein können, aber jegliche Spannungen werden innerhalb eines Wimpernschlags zunichte gemacht:
Angriff auf die Schule? – Drei Tage später geht’s zum Entspannen in den Vergnügungspark.
Ein Schüler wird ermordet? – Oh schade. Aber, hey Kids, kennt ihr schon das Motto für den BALL?!
Klischees
Neben den Millionen Klischees von denen so einige abgearbeitet werden, sodass die Geschichte leider viel zu vorhersehbar wird, gibt es leider auch keinerlei Konflikte. Die große Hintergrundhandlung mit den Gesegneten poppt hin und wieder auf, wenn es lange keine Action mehr gab und gerät dann wieder in Vergessenheit. Hin und wieder fallen der Protagonistin durch Zufall Hinweise in die Hand, eine düstere Prophezeiung oder eine Erkenntnis aus dem Nichts, doch statt diesen zu folgen stürzt sie sich lieber wie besessen auf das Designen eines Ballkleids.
Um etwas zu zitieren, das wir möglicherweise auch schonmal gelesen haben: „Da sollte ganz dringend jemand seine Prioritäten klären.“
Oh ja und was war dieses Ende? Es kam mir leider sehr vor, als wäre das Buch mittendrin einfach geteilt worden, denn ein packendes Finale war das leider nicht.
Schreibstil
Zuletzt bleibt mir nur noch auf den Schreibstil einzugehen, der tatsächlich angenehm flüssig war und dafür sorgte, dass das Buch trotz gravierender Schwächen sehr schnell vorbei war. Die Dialoge fand ich leider recht gestelzt und gewollt und wie vieles weitere auch leider sehr unnötig und uniformativ.
Außerdem sind mir viele Fehler aufgefallen, die einem aufmerksamen Lektorat eigentlich entgehen sollten. Schade.
Fazit
Leider, leider hat mit Essenz der Magie in keinerlei Hinsicht gefallen. Eine Aneinanderreihung von Klischees, seltsamer Logik, flachen Charakteren und eigensinnigen Prioritäten im Storytelling machen diese Geschichte trotz guter Ideen leider zu einer vollkommenen Enttäuschung.